Bauern suchten Schutz in Schützenvereinen

Im Freiheitskrieg nahm die Bedeutung enorm zu

Das Schützenwesen entwickelte sich im Ursprung aus der Not heraus zu einer Gemeinschaft. Diese, aus den zwingenden Sorgen des Alltags und des Lebenskampfes geboren, steht im Gegensatz zu der neuzeitlichen Entwicklung des Schützenwesens, bei dem Freude und Festtrubel ganz im Vordergrund stehen.

Die Überlieferung für das Schützenwesen in Stadt und Land ist unterschiedlich. Alte Statuten, Notizen aus der Vergangenheit, Rechnungsbelege und so weiter führen in die Zeit des 14. und 15. Jahrhunderts.

Nicht so auf dem Lande, wo die Nachrichten nur in den seltensten Fällen über das 16. Jahrhundert zurückreichen, wo statt dessen im engsten Lebenskreis der bäuerlichen Gemeinschaft und in der Nachbarschaft das ländliche Schützenwesen bis in die Zeit Karls des Großen zu verfolgen ist.

Im12.Jahrhundert war die Bauernschaft an die Stelle der Nachbarschaft und bäuerlichen Gilden getreten. Das "Gildebier" wurde in vielen Bauernschaften noch im 15. und 17. Jahrhundert getrunken.

Für diese Zusammenkünfte stand in der Bauernschaft vielfach ein eigenes Gildehaus zur Verfügung. In der benachbarten Grafschaft Bentheim ist noch im 17. und 18. Jahrhundert die Bezeichnung "Gildeschaft" statt Bauernschaft durchaus gebräuchlich.

Aus einem Kirchdorf entwickelte sich im 13. Jahrhundert der Name Gildehaus. War das "Gildebier" Ausdruck der bäuerlichen Selbstverwaltung im engsten Bereich der Bauernschaft, so war der Schützenverein der Bauernschaft die Bekundung der Wehrkraft. Seit die Bauern unter die Hörigkeit von Kirche und Adel geraten waren, zog der adelige Ritter und Dienstmann mit seinen Knappen in den Krieg. Der Bauer blieb auf dem Hofe und zahlte Kriegssteuer (Heerbannschilling). Trotzdem konnte auch er noch durch "Glockenschlag" der Kirchspielskirche zur Landwehr, das heißt zur Verfolgung eines Verbrechens oder zur Abwehr eines drohenden räuberischen Überfalls aufgeboten werden. Mit Spieß und Speer bewaffnet musste er diesem Aufruf folgen.

Als Beispiel sei der Kampf um die Brechte genannt. Es gibt im Stadtarchiv Ochtrup die Reproduktion einer Zeichnung, die diese Auseinandersetzung bildlich darstellt. Hier kann man die Landwehr von Ochtrup und andere Krieger während ihres Einsatzes mit Spieß und Speer, Pferd und Wagen sehen.

Durch Glockenschlag wurden die Bauern auch gerufen, um mit dem Gebrauch der Armbrust, in der Handhabung des Feuerrohrs und der Büchse vertraut gemacht zu werden. Das geschah zur Wehrhaftigkeit dieser "Landwehr". Alljährlich wurde einmal nach dem Vogel auf der Stange geschossen. Es ist nur selten in der Literatur von diesen Bauernwehren und ihren Schützenfesten im Mittelalter etwas zu erfahren.

Die Bedeutung des wehrhaften Bauern wuchs mit einem Schlage, als der niederländische Freiheitskrieg von 1568 bis 1648 über das Land hereinbrach. Aus der Geschichte von Ochtrup weiß man von den Plünderungszügen der Niederländer und Spanier. In dieser Zeit (1593 bis 1595) wurde Ochtrup zur Festung ausgebaut. Sämtliche Bürger des Wiegboldes und des Kirchspiels wurden zum Einsatz verpflichtet. Ihnen oblag das Werk der Verteidigung. Es war sicherlich kein Zufall, dass in diesen Jahren mehrere Schützengilden entstanden. In Ochtrup waren laut Überlieferungen der spätere Schützenverein "Alt und Jung der Stadt" und der Schützenverein "Horst und Wall" bereits 1593/1594 im Einsatz.

Ein Königsschild von 1616 zeugt von der geschlossenen und organisierten Schützengesellschaft "Weiner". Es folgten die Schützenvereine "Laubrechte" 1618, "Wester" 1628 und "Welbergen" 1629. Es ist zu erkennen, dass die Gründung der Schützenvereine in die Schreckenszeit des 30jährigen Krieges von 1618 bis 1648 fällt. Die Bürger schlossen sich zur Selbstverteidigung zusammen, um Haus und Hof vor Zerstörungen zu schützen. Die Bauern wurden kirchspielweise zusammengefasst und mobilisiert. Nach Beendigung dieses großen Krieges nahm der tatkräftige Bischof Bernhard von Galen die Idee der Volksbewaffnung wieder auf.

Jetzt schlug die Stunde weiterer ländlicher Schützenvereine. Es kamen hinzu die Schützenvereine "Osterbauerschaft" 1651, "Langenhorst" 1651 und "Alt und Bollhorst". In den langen Kriegsjahren war fast überall unter dem Druck der Ereignisse das Vogelschießen unterblieben. Auch das Gildebier war nirgends mehr gefeiert worden.

Jetzt lebte beides in den alten und neugegründeten Schützenvereinen wieder auf. Wie vorher war die Mitgliedschaft für alle Bauern der Bauernschaft Pflicht, die. Kötter dagegen brauchten nur zweimal im Jahr zur angesetzten Musterung mit einer Hellebarde oder nur mit einem Knüppel bewaffnet erscheinen. Von den Bauern musste beim Waffenappell jeder das nicht geladene Gewehr und sechs Schuss Munition mit dem dazugehörigen Pulver vorzeigen. Die Schützengesellschaften in den Bauernschaften hatten die Aufgabe, ihre Mitglieder im Gebrauch der Waffe zu üben. Mehrmals sind hierzulande die bäuerlichen Schützen noch nach dem großen Kriege zum Einsatz bei der Abwehr von Freischärlern und Marodeuren gekommen.

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